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Robert von Lieben
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Robert von Lieben wurde am 5. September 1878 in Wien geboren. Seine sehr wohlhabenden Eltern waren Leopold von Lieben, Präsident der Wiener Börsenkammer und Anna von Lieben, geborene Todesco, einen Wiener Geschlecht mit einem eigenen Palais am Herbert-von-Karajan-Platz nahe der Ringstrasse, gegenüber der Staatsoper, am Eingang zur Kärntner Strasse gelegen. Die väterliche Wohnung in der Oppolzergasse 6 war ein Prachtbau an Ringstrasse neben dem Burgtheater. So verbrachte der kleine Robert neben einer hochkultivierten Erziehung eine unbeschwerte Kindheit.

In der Schule war er kein Musterschüler, interessierte sich aber schon früh für physikalisch-technische Versuche. Erst besuchte er ein akademisches Gymnasium, dann die Realschule in der Wiener Heßgasse. Zu dieser Zeit richtete er in der väterlichen Villa in Mödling die elektrische Beleuchtung ein. Das Abitur machte von Lieben nicht, sondern ging für kurze Zeit als Volontär zu den Siemens-Schuckert-Werken in Nürnberg. Vom Wesen her war er eher schüchtern, aber vom hellwachen Verstand. Sein Gesicht hatte eher zarte Züge.

Nun meldete er sich freiwillig zum Militär, um in einem Ulanenregiment zu dienen. Aber schon nach wenigen Wochen erlitt er einen Unfall. Er fiel vom Pferd und wurde schwer verletzt. Davon sollte er sich nie mehr ganz erholen, und er machte fortan immer wieder Erholungsaufenthalte in seinem Gut in Ungarn und in Bad Vöslau. Ein Drüsenabzess im Brustkorb konnte nie ganz geheilt werden und war wahrscheinlich auch die Ursache für seinen frühen Tod.

In der ersten Zeit nach dem Militär besuchte er als Gasthörer die Physikvorlesungen an der Wiener Universität.

Im Frühjahr 1899 ging von Lieben an das Physikalisch-Chemische Institut von Walter Nernst in Göttingen, der großen Einfluss auf ihn hatte. Viele Stunden diskutierte er mit seinem Lehrer Nernst über die gerade entdeckte Radioaktivität und lotete die Zukunftschancen des Motorfluges zu einer Zeit aus, wo er noch in weiter Ferne lag. Unter anderem verbesserte er ein Flugzeug der Gebrüder Wright. Obwohl er nur ein Jahr in Göttingen war, verband ihn zeitlebens die Freundschaft mit Nernst. In der Göttinger Zeit erfand er einen elektrochemischen Phonographen und ein Schaltgetriebe für die aufkommenden Automobile. Aber einen Studienabschluss erlangte von Lieben nicht. Wahrscheinlich sah er wegen seines Vermögens keine Notwendigkeit zum Broterwerb. Auf seinem ungarischen Gut, auf dem er sich gelegentlich erholte, verbesserte von Lieben landwirtschaftliche Maschinen.

Robert von Lieben kehrte 1900 nach Wien zurück und gründete ein eigenes Laboratorium um sich physikalisch-technischen Versuchen zu widmen. Er entwickelte einen großen Arbeitseifer. In der Physikalischen Zeitschrift veröffentlichte er 1903 eine Abhandlung über die Polarisation der Röntgenstrahlung. Zu dieser Zeit sammelte von Lieben wichtige Erfahrungen über Gasentladungen und Kathodenstrahlen und vollzog die neuesten Erfindungen in diesen Gebieten nach. Da er durch seinem Wohlstand unabhängig war, arbeitete er selbst nur selten in seinem Laboratium, nahm aber sehr großen Einfluß auf die Entwicklungen.

1904 kaufte er eine Telephonfabrik in Ohlmütz und begann sie auszubauen. Dort lernte er die Probleme der Telephonie zu verstehen. Die Tätigkeit war aber eher von kaufmännischer Natur, und das lag ihm nicht. Also verkaufte er die Fabrik bald wieder.

Ab 1905 begann er systematisch sein „Telephonrelais“ zu entwickeln. Die väterliche Wohnung in der Oppolzergasse 6 wurde Robert v. Lieben zur Verfügung gestellt und er richtete nun hier sein Laboratorium ein. Es gab noch keinen richtig funktionierenden Telephonverstärker, und daher war nur eine Kommunikation über weite Entfernungen über Telegraphie möglich. Die gemorsten Telegraphiezeichen konnten recht einfach mit Relais verstärkt werden, während die Verständlichkeit beim Telephonieren mit zunehmender Entfernung immer schlechter und schließlich unmöglich wurde. Einem Gerücht nach wurde damals in Amerika ein hoher Preis für die Entwicklung eines Telephonieverstärkers ausgelobt. V. Lieben musste die Unzulänglichkeit der ersten elektromechanischen Telephonverstärker bei Siemens-Schuckert erkannt haben und gerade war die Oxidkathode von Wehnelt erfunden worden und von Lieben kombinierte sie mit dem Kathodenstrahlrohr von Braun.   

Am 4. März 1906 meldete er sein „Kathodenstrahlenrelais“ zum Patent an (DRP 179807). Der Elektronenstrahl wurde durch eine Spule magnetisch abgelenkt. Die Röhre hing ständig an einer Vakuumpumpe und hatte keine Quecksilberdampffüllung, sondern ein Vakuum, wie es damals technisch herstellbar war. Die ganze komplizierte Apparatur war mannshoch! – und somit für eine allgemeine Anwendung wenig brauchbar. Aber bemerkenswert ist, daß er sich die Rechte auch an der elektrostatischen Steuerung des Elektronenstrahls im luftleeren Raum sichern ließ. Ebenfalls ließ er sich die Anwendung bis in die höchsten Frequenzen schützen. Dies macht ihn zum Erfinder der Verstärkerröhre, obwohl diese erste Liebenröhre, technisch gesehen, noch weit von der endgültigen Form entfernt war. Durch die ständigen Probleme mit dieser Röhre war er gezwungen, sie weiter zu entwickeln und zu verbessern. Der Prototyp funktionierte, wie Professor Walther Nernst, der später den Nobelpreis erhielt, bestätigte.

Nun stellte er seine begabten Studienkollegen Eugen Reisz und Siegmund Strauß ein, die dann bei den folgenden Patenten Mitinhaber wurden. (Reisz erfand später das Kohlemikrophon und Strauß entdeckte unabhängig von Alexander Meissner die Rückkopplung. Strauss ärgerte sich sehr über das ständige Rückkopplungspfeifen auf den ersten verstärkten Telephonleitungen, kam aber bei der Patentanmeldung zu spät. Alexander Meissner hatte gleich den richtigen Gedanken und konstruierte den ersten Röhrensender.)

An der Entwicklung war auch Dr. Richard Leiser beteiligt, der sich mit der Chemie von Kathoden befasste. Er schied aber schon nach einiger Zeit wieder aus dem Entwicklungsteam aus. Das Thema Kathoden war so komplex, dass man bis in die Neuzeit daran forschte.

 
Vier Jahre später, am 4. September 1910 folgten die Patente DRP 236716 („Relais für undulierende Ströme, bei welchem durch die zu verstärkenden Stromschwankungen ein Ionisator beeinflusst wird“) und DRP 249142 (Das Zusatzpatent: sogenanntes Gitterpatent). Das erste Patent (links) zeigt eine Weiterentwicklung der ersten Liebenröhre und das zweite (rechts) eine völlig andere Röhre mit einem Gitter zwischen Kathode und Anode, wie es Lee De Forest zuerst verwendete. De Forest benutzte dieses Gitter aber nicht, um den Elektronenstrahl zu steuern, sondern um Glimmlicht an der Anode zu unterdrücken und, somit war die Triode von De Forest keine Verstärkerröhre, sondern eine verbesserte Detektordiode. Robert von Lieben steuerte mit dem Gitter die Dichte des Elektronenstrahl und erzielte so eine Verstärkerwirkung. Zu bemerken ist, daß von Lieben nur an eine Verstärkerwirkung dachte und De Forest nur an eine Verbesserung des Funkempfangs. Die Folge war ein jahrelanger Rechtsstreit, der zu Gunsten von Liebens entschieden wurde.

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Hier ist die erste gittergesteuerte Liebenröhre zu sehen.

Die Gesundheit von Liebens begann sich nun stetig zu verschlechtern.

 

1911 heiratete von Lieben Anny Schindler, Schauspielerin am Wiener Burgtheater. (Das Burgtheater war übrigens von seinem Laboratorium aus gut zu beobachten).

Am 13. Juli 1911 folgte noch das Patent DRP 254588 („Verfahren zur Erhöhung der Lebensdauer, Gleichmäßigkeit und Ökonomie von Entladungsröhren mit glühender Kathode“) das mit seinen Verbesserungen zur allgemein bekannten Form der Liebenröhre führte. Jetzt war es möglich, diese Röhre industriell zu vermarkten.
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Im Jahre 1912 wurde das Lieben-Consortium, bestehend aus den Firmen Siemens und Halske, AEG, Telefunken und Felten und Guillaume gegründet, um die Rechte an den Liebenpatenten zu vermarkten. Die Firma Lorenz sollte auch noch beteiligt werden; hier aber scheiterten die Verhandlungen. Der Vertrag wurde am 19. Februar 1912 unterzeichnet. Für die Rechte an den Patenten erhielt Robert von Lieben die riesige Summe von 100.000,- Mark und verdiente noch an zusätzlichen Lizenzgebühren für jede einzelne Röhre und jedes Gerät. Die Liebenröhren wurden im AEG-Kabelwerk-Oberspree in Berlin gefertigt und bildeten die Grundlage für alle weiteren Röhrenentwicklungen.

Es gab eine vielfältige Reihe von Geräten mit Liebenröhren und auch etliche Varianten der Röhre selbst.

Ende 1913 brachte Wolfgang Gaede die Hochvakuum-Molekularpumpe auf den Markt. Das führte dazu, dass man ab 1914 wesentlich kleinere Vakuumröhren entwickelte. Da diese viel leichter zu handhaben waren, setzten sie sich schließlich durch.

1922 wurde die letzte Liebenröhre gefertigt.

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Seriengefertigtes Lieben-Strauss-Reisz-(LRS-)-Relais der AEG-Serienfertigung nach 1912. R. von Lieben hat das Auftreten dieser Röhren gerade noch erlebt.

 
Im Alter von 34 Jahren starb Robert von Lieben am 20. Februar 1913 nach schwerer Krankheit.

Robert von Lieben hatte den Grundstein für seine glänzende Karriere gelegt. Er hätte sicher noch lange Zeit an der weiteren Entwicklung der Röhren mit gewirkt. Wegen seiner jüdischen Abstammung hätte er aber auch Anfang der Dreissiger Jahre emigrieren müssen. Jedensfalls erlebte er den allmählichen Niedergang der Blüte von Wissenschaft und Technik in seiner Heimatstadt Wien nach der Kaiserzeit nicht mehr.

Hugo von Hofmannsthal, ein Dichter und häufiger Gast bei gesellschaftlichen Ereignissen im Hause von Liebens, schrieb einmal über ihn:

    Er war einer der ganz seltenen Menschen auf Erden, denen ihr Beruf ein völliges Glück verleiht: denn er wußte, daß es ihm im höchsten Augenblicken von unmeßbarer Dauer gegeben war, unendliche Gedanken zu denken.

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